
Bachelor 1. Jahr, 2012 / Atelier ALICE, Prof. Guillaume Othenin-Girard / Programm : Konstruieren eines Raumes aus einem Text aus den Unsichtbaren Städten, Italo Calvino, 1974
Von dort binnen sechs Tagen und sieben Nächten kommt der Mensch nach Zobeide, einer weißen Stadt, dem Monde wohl zugewandt, mit Straßen, die um sich selber kreisen wie an einem Knäuel. Dies erzählt man über ihre Entstehung: Männer verschiedener Nationen hatten einen gleichen Traum, sie sahen eine Frau nachts durch eine unbekannte Stadt laufen, sie sahen sie von hinten mit langem Haar, und sie war nackt. Sie verfolgten sie im Traum. Beim Hin und Her verlor sie ein jeder. Nach dem Traum begaben sie sich auf die Suche nach jener Stadt; sie fanden sie nicht, doch fanden sie einander; und sie beschlossen, eine Stadt wie im Traum zu bauen. Bei der Anlage der Straßen baute jeder den Verlauf seiner Verfolgung nach; an der Stelle, wo er die Fliehende aus den Augen verloren hatte, setzte er Räume und Mauern anders als im Traum, damit sie ihm nicht mehr davonlaufen könne. Dies ward die Stadt Zobeide, in der sie sich niederließen und warteten, daß sich eines Nachts die Szene wiederholen würde. Keiner von ihnen, weder träumend noch wachend, sah die Frau jemals wieder. Die Straßen der Stadt waren die, auf denen sie tagtäglich zur Arbeit gingen, ohne noch irgendeine Beziehung zu der geträumten Verfolgung. Die im übrigen schon lange vergessen war.
– Auszug aus den Unsichtbaren Städten , Die Städte und der Wunsch, Italo Calvino, 1974
Nachdem ich den Text der Städte mehrmals gelesen hatte, wollte ich ein starkes Element hervorheben: den Kontrast zwischen den Männern, die diese Frau suchen und der Frau selbst. Beide ergänzen sich und sind zugleich gegensätzlich, sie brauchen einander, um zu existieren. Die äußere Struktur funktioniert wie das Gebäude der Männer, die versuchen, die Bewegungen der Frau zu kontrollieren, um sie einzufangen. Das sehen wir: die reale Stadt, eine Struktur, die die Mauern hält. Im Gegensatz dazu repräsentiert das Innere, etwas, das Männer nicht kontrollieren können; ihren Traum, den Geist der Frau: einen Raum, der sich kräuselt und schwankt, der jederzeit verschwinden und ihnen entkommen könnte.